Open Source beschaffen – jetzt auch rechtssicher mit EVB-IT

Der Einkauf von Open-Source-Software (OSS) gewinnt für Kommunen zunehmend an Bedeutung – nicht nur aus Kostengründen, sondern als zentraler Baustein digitaler Souveränität, Nachnutzbarkeit und Interoperabilität. Mit der Überarbeitung der „Ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von IT-Leistungen“ (EVB-IT) wurde nun ein wichtiger Schritt getan, um Open Source systematisch und rechtssicher in der öffentlichen IT-Beschaffung zu verankern.

Die vom IT-Planungsrat beauftragte Arbeitsgruppe EVB-IT hat eine grundlegende Überarbeitung der EVB-IT-Vertragsmuster für den Einkauf von Open-Source-Software (OSS) erarbeitet. Die angepassten EVB-IT-Musterverträge wurden durch den IT-Planungsrat in seiner 48. Sitzung beschlossen und seinen Mitgliedern zur Nutzung empfohlen.

Damit erhalten Bund, Länder und Kommunen eine klare Orientierung, die neuen Vertragsmuster in der Praxis anzuwenden und Open Source systematisch in Beschaffungsprozesse einzubeziehen. Erstmals wird Open Source nicht nur „mitgedacht“, sondern strukturell und rechtssicher in den Standardverträgen der öffentlichen IT-Beschaffung verankert.

Warum ist das für Civitas-Connect-Mitglieder relevant?

Viele Kommunen setzen bereits heute OSS in verschiedensten Anwendungskontexten ein. Bislang erfolgte dies jedoch häufig mit provisorischen oder individuell angepassten Vertragslösungen, da einheitliche, belastbare Vertragsgrundlagen fehlten, die den Besonderheiten von Open Source gerecht werden. Die neuen EVB-IT-Muster schließen diese Lücke und erkennen Open Source als gleichwertige Beschaffungsoption an. OSS-typische Besonderheiten (Lizenzmodelle, Weitergabe, Pflege) werden erstmals systematisch berücksichtigt und so digitale Souveränität, Nachnutzbarkeit und Transparenz gestärkt. Damit wird Open Source von der Ausnahme zur regulären Option in der öffentlichen IT-Beschaffung.

Was wurde konkret überarbeitet?

Insgesamt wurden acht EVB-IT-Vertragstypen angepasst. Je nach Vertragstyp sind OSS-Regelungen direkt in den AGB verankert oder über Optionen im Vertragsmuster aktivierbar. 

1. EVB-IT Erstellung: Individualsoftware, Weiterentwicklung, Customizing 
Bei neuen Softwareprojekten sind die Entwicklung und Bereitstellung als Open Source nun der Regelstandard. Auch für Anpassungen bestehender Software und für die laufende Pflege wurden OSS-spezifische Regelungen ergänzt. Optional kann die Bereitstellung der Software auf OpenCoDE sowie die Übergabe einer „Software Bill of Materials“ (SBOM), einer detaillierten Inventarliste von Komponenten, Abhängigkeiten und Bibliotheken, vereinbart werden. 

2. EVB-IT Überlassung Typ A: Standardsoftware 
Die gezielte Beschaffung von OSS ist nun ausdrücklich möglich und kann im Vertragsmuster per Ankreuzoption festgelegt werden. Gleichzeitig bleiben proprietäre Lösungen weiterhin zulässig. Auch hier sind OpenCoDE-Bereitstellung und SBOM optional vereinbar. 

3. EVB-IT Pflege S: Pflege von Standardsoftware 
Die Besonderheiten von OSS werden nun auch bei Wartung und Pflege berücksichtigt, einschließlich der Möglichkeit, gepflegte Software zu veröffentlichen und die SBOM fortzuschreiben. 

4. EVB-IT Dienstleistung: IT-Dienstleistungen 
Für Dienstleistungen mit OSS-Bezug (z. B. Entwicklung, Anpassung, Beratung) können OSS-Regelungen optional aktiviert werden. Das schafft Flexibilität bei sehr unterschiedlichen Leistungstypen. 

5. EVB-IT System: Gesamtsysteme inkl. Softwareanteil 
Die softwarerelevanten Regelungen wurden analog zur EVB-IT Erstellung überarbeitet und berücksichtigen Open Source systematisch als Bestandteil von Gesamtsystemen. 

6. EVB-IT Systemlieferung: Systeme mit Standardsoftware 
Hier wurden die OSS-Regelungen entsprechend EVB-IT Überlassung Typ A und Pflege S angepasst, um hybride Systeme sauber abbilden zu können. 

7. EVB-IT Service 
Für Service- und Betriebsleistungen wurden optionale OSS-Regelungen ergänzt. Erfolgt der Service im Anschluss an einen OSS-basierten Erstellungs- oder Systemvertrag, greifen konsistente Regelungen. 

8. EVB-IT Rahmenvereinbarung 
Auch die Module der Rahmenvereinbarung wurden angepasst, sodass alle OSS-fähigen Vertragstypen integriert und zentral genutzt werden können, was besonders relevant für kommunale Einkaufskooperationen ist. 

Nicht überarbeitet wurden bislang EVB-IT Cloud und EVB-IT Überlassung Typ B. Aufgrund ihrer Besonderheiten und eines laufenden Reviews sind hierfür weitere Verhandlungen im kommenden Jahr vorgesehen. 

Fazit

Für Kommunen und kommunale Unternehmen, die digitale Souveränität, offene Standards und Nachnutzbarkeit verfolgen, sind die neuen EVB-IT-Muster ein strategisches Werkzeug, um rechtssichere OSS-Beschaffung ohne Sonderkonstruktionen umzusetzen. Sie schaffen zudem bessere Voraussetzungen für interkommunale Nachnutzung und stärken offene Open-Source-Ökosysteme (z. B. CIVITAS/CORE). Durch die SBOM-Pflichten wird nicht zuletzt auch eine höhere Transparenz ermöglicht. 

Mit der Überarbeitung der EVB-IT-Vertragsmuster macht der IT-Planungsrat somit einen entscheidenden Schritt hin zu einer offenen, souveränen und zukunftsfähigen öffentlichen IT-Beschaffung. Für die Beschaffenden bedeutet dies mehr Handlungssicherheit, mehr Gestaltungsspielraum und weniger Abhängigkeit von proprietären Lösungen. 

Unabhängig davon bleibt die praktische Umsetzung im Vergabeverfahren anspruchsvoll. Um die Anwendung der neuen Vertragsmuster zu erleichtern, wäre es aus Sicht der Anwender hilfreich, die begleitenden Hinweise und Anwendungshilfen zeitnah zu überarbeiten und stärker an den tatsächlichen Abläufen öffentlicher Beschaffung auszurichten. 

Civitas Connect e. V. begrüßt diesen Schritt ausdrücklich und empfiehlt seinen Mitgliedern, die neuen EVB-IT-Muster frühzeitig in Beschaffungs- und Digitalstrategien zu berücksichtigen.