Ein Jahr Civitas Connect – ein Verein ermöglicht die Umsetzung von Smart City.

In einem Punkt sind sich kommunale Unternehmen wohl einig: Die Umsetzung der Smart City ist alternativlos. Zum einen ist es der Anspruch der Bürgerinnen und Bürger sowie der Wirtschaft, zum anderen werden datengetriebene Lösungen gebraucht, um die erklärten Klimaziele zu erreichen. Die Komplexität und Schnelllebigkeit der Klimafolgeanpassungen können nur durch digitale Lösungen beherrschbar und steuerbar gemacht werden. Wer allein vor dieser Herausforderung steht, kann sich vorstellen, wie umfänglich und kostenintensiv die Entwicklung von adäquaten Lösungen sein kann. Doch wie können gemeinsam standardisierte Lösungen erarbeitet werden? Dieser Herausforderung stellt sich der Verein Civitas Connect seit mittlerweile mehr als einem Jahr. Wir haben mit dem Geschäftsführer Ralf Leufkes gesprochen.

Warum braucht es Civitas Connect?

Der grundlegende Gedanke des Vereins ist es, dass niemand die Smart City allein umsetzen kann. Das liegt, neben der Vielzahl an Themen und beteiligten Akteuren, vor allem an limitierten Personalressourcen und dem notwendigen Know-how, um die Lösungswege allein auszuarbeiten. Für eine vollumfängliche Smart City reicht es nicht aus, ein paar Sensoren zu installieren und die Informationen von A nach B zu transportieren. Es bedarf verschiedener Kommunikationsnetze, die je nach individueller Stärke und je Anwendungsfall eingesetzt werden. Es müssen Datenplattformen, -drehscheiben und -pools sowie Software- und Hardwareschnittstellen implementiert werden, die Geräte und Programme interoperabel machen. Für ein einzelnes Unternehmen ist es nicht erschwinglich, all das im Alleingang zu entwickeln und zu betreiben, ohne dabei auf bereits erworbene Erfahrungen zurückzugreifen.

Letztes Jahr im Juni, genauer am 22.06.2020, wurde aus diesem Grund Civitas Connect mit 22 Vereinsmitgliedern, unter anderen der items GmbH, gegründet. Das Ziel: Die Umsetzung von Projekten rund um Smart Cities und Smart Regions ermöglichen und beschleunigen. Diese scheitern zumeist an hoher Komplexität, fehlendem Know-how in neuen Technologien und mangelnder Standardisierung oder zur Verfügung stehender Basisinfrastruktur. Der Verein hat kein eigenes Angebot an Produkten oder Services sowie keine wirtschaftlichen Absichten. Die Umsetzung von Projekten obliegt einzig den Mitgliedsunternehmen. Mittlerweile hat der Verein 40 Mitglieder und wird von Markus Hilkenbach als Vorstandsvorsitzendem geführt. Die kommunale Selbstverwaltung begreift man bei Civitas Connect als entscheidenden Schlüssel zur Nachhaltigkeit. Der Fokus liegt auf der Lösungserbringung aus den eigenen Reihen heraus. Der Know-how-Aufbau im „Konzern Stadt“ ermöglicht den Kommunen eigenständigen Betrieb, Weiterentwicklung, Selbstverwaltung und Souveränität.

Wie arbeitet Civitas Connect?

Die theoretische Übertragbarkeit von Lösungen auf andere Unternehmen liegt zwischen 80 bis 100 Prozent. Doch wie werden Lösungen überall nutzbar und technisch übertragbar gemacht? Der Ansatz von Civitas Connect sieht vor, von Beginn an gemeinsam an den unterschiedlichsten Projekten zu arbeiten und die Lösungen für alle Mitglieder des Vereins zur Verfügung zu stellen. So kann jedes Mitgliedsunternehmen entscheiden: Behebt diese Lösung eines meiner Probleme? Außerdem ist einzusehen, welche materiellen und personellen Ressourcen gebraucht werden, um die Lösung umzusetzen und wie die potenziellen Lösungswege aussehen.

Der Verein organisiert sich in Arbeitsgruppen zu den verschiedensten Themen, die im breiten Kontext der Smart City Relevanz haben. Ziel ist die gemeinsame Lösungsentwicklung auf Projektebene. Anstelle einer bloßen Konzeptionierung ist die konkrete Ausarbeitung von Lösungen gefragt. Die Ergebnisse aller Gruppen werden im Wiki beispielsweise in Form von Whitepapern festgehalten. Das Wiki ist für alle Mitglieder offen, sodass die Ergebnisse der Arbeitsgruppen von allen eingesehen und umgesetzt werden können. Es verbessert nicht nur die Transparenz und den Informationsfluss, sondern es verstärkt auch das Vertrauen und die Interoperabilität der relevanten Akteure der Smart City untereinander.

Auf der einen Seite erreichen die Arbeitsgruppen durch den Fokus auf der Umsetzung von Lösungen eine überdurchschnittliche inhaltliche Tiefe. Auf der anderen Seite wird die inhaltliche Breite dadurch gewährleistet, dass jedes Mitglied zu jeder Zeit eine Arbeitsgruppe zu einem gewünschten Thema initiieren kann.

Themenschwerpunkte der Arbeitsgruppen

Was wurde im ersten Jahr erarbeitet?

Im Bereich Pegelsensorik hat die Arbeitsgruppe eine Vergleichsmatrix entwickelt, aus der die wesentlichen Eigenschaften für die Auswahl passender Sensoren entnommen werden können. Zudem wurde ein Use Case erarbeitet, der die Relevanz von Grundwassermessungen im Klimawandel einordnet. Zusätzlich konnte die Arbeitsgruppe Sensorbeschreibungen veröffentlichen sowie Vorlagen, wie entsprechende Visualisierungen aussehen könnten. Ergänzt wird dies um Hinweise, wofür die erhobenen Daten sonst noch Relevanz haben.

Die Arbeitsgruppe „LoRaWAN“ hat vier unterschiedliche LoRaWAN-Gateways im direkten Vergleich getestet. Das erste Ergebnis deutet darauf hin, dass nicht automatisch das teuerste Gateway die besten Empfangswerte liefert. Zum jetzigen Zeitpunkt wird noch geprüft, ob dies an Unterschieden in der Montage liegen könnte. Darüber hinaus konnte ein Sicherheitskonzept für LoRaWAN erarbeitet werden.

In einer weiteren Arbeitsgruppe geht es um das Thema der Verkehrszählung. Hier wird in drei unabhängigen Piloten mit verschiedenen Lösungsanbietern von den Mitgliedern eine datenschutzkonforme Verkehrszählung getestet. Schon vorab konnten sich alle Mitglieder ein erstes eigenes Bild zu den Dienstleistern machen, die Civitas Connect zu einer Produktvorstellung geladen hatte. Im Anschluss wurden die avisierten Mehrwerte aus den Lösungen zu Fragestellungen formuliert, die nun in den laufenden Projekten validiert werden.

Zur Thematik der 450 MHz-Frequenzvergabe erscheint in der näheren Zukunft ein Buch, welches in Zusammenarbeit zweier Mitglieder entstand. Es geht um die Einordnung der Frequenz für die Energiewirtschaft, auch in Bezug zu anderen Übertragungstechnologien.

Alle Arbeitsgruppen zahlen als konkrete Blaupause in die Geschäftsfeldentwicklung des Geschäftsfeldes Smart City ein. In diesem Kontext muss vor allem auch der gesamte Stadtkonzern betrachtet werden. Hier spielt, neben den kommunalen Versorgungsunternehmen, vor allem die Kommune eine zentrale Rolle. Somit können beide Mitglied im Verein werden, gemeinsam in den Gruppen wirken und nicht nur an konkreten Lösungen arbeiten, sondern auch an der Frage, wie dies vor Ort umgesetzt und betrieben werden soll.

Mit dieser Vernetzung und der Mentalität möchte Civitas Connect auch als Partner der DIV-Konferenz die Entwicklung von Smart Cities und Regions auf Bundesebene vorantreiben. Darüber hinaus verhandelt Civitas Connect diverse Einkaufskonditionen für zentrale Komponenten für unsere Vereinsmitglieder vor, die sich in den Arbeitsgruppen als geeignet herausstellen. So kann der Verein einen direkten wirtschaftlichen Mehrwert für seine Mitglieder bieten.

Zukunftsausblick

Der Verein wird kontinuierlich weiterentwickelt und an die Bedürfnisse der Mitglieder angepasst. Der Fokus der nächsten Monate liegt darauf, die Arbeit in den Arbeitsgruppen und die Wiederverwertbarkeit von Lösungen zu verbessern. Ein erster Ansatz ist eine thematische Gruppierung der Arbeitsgruppen in Cluster, aus denen eine generelle Strategie abgeleitet werden kann. Außerdem soll eine Befragung unter den Mitgliedern durchgeführt werden, um die Bedürfnisse und Wünsche kommunaler Unternehmen zu ermitteln und daraus weitere Handlungsbedarfe für den Verein abzuleiten. Um somit den Verein strategisch mit den Themen weiterzuentwickeln und nicht auf dem Status quo stehenzubleiben.

Als eine der größten und dringlichsten Aufgaben von Civitas Connect sieht Ralf Leufkes neben der Unterstützung der Mitglieder in den AGs auch die Finanzierung von umfangreicheren Arbeitsgruppen und Clusterthemen beim Aufbau des Geschäftsfeldes Smart City und Region. Um die dafür notwendigen Ressourcen auch im Verein innezuhaben, sollen Förderanträge in Zukunft noch bewusster angegangen und umgesetzt werden.

Fazit

Civitas Connect konnte bereits im ersten Jahr deutlich zeigen, dass ein besonderes Interesse an der Thematik Smart City besteht und sich daraus viel Potenzial ableiten lässt. Es wird außerdem deutlich, dass Städte und Kommunen nur durch Kooperationen dazu befähigt werden, die Smart City adäquat umzusetzen.