Bei der badenovaNETZE sollen Ablesetermine und Zählerkarten künftig der Geschichte angehören: Seit 2022 treibt die badenova Tochter den Massen-Rollout funkauslesbarer Wasser- und Wärmemengenzähler voran und nimmt damit eine Vorreiterrolle im „Ländle“ und darüber hinaus ein.
Bisher werden die Wasser- und Wärmemengenzähler einmal jährlich analog von Hand abgelesen. Was war für euch der Auslöser, diesen Prozess zu digitalisieren?
Der Hauptauslöser für die Digitalisierung des Ableseprozesses der Wasser- und Wärmemengenzähler war die Notwendigkeit, den gesamten Ablauf effizienter und präziser zu gestalten. Bisher wurden die Zählerstände einmal jährlich analog von Hand abgelesen, was mehrere Herausforderungen mit sich brachte. Ein wichtiger Aspekt war der Personalaufwand. Die manuelle Ablesung erforderte den Einsatz von Mitarbeitenden, die zeitaufwendig durch alle Kundengebäude, Liegenschaften und Schächte gehen mussten, um die Zählerstände zu erfassen. Durch die Digitalisierung dieses Prozesses kann das Personal anderweitig eingesetzt werden, beispielsweise für die Wartung und Verbesserung der Netzinfrastruktur, was die Gesamteffizienz erhöht.
Zudem ist die manuelle Ablesung nicht nur zeitaufwendig, sondern auch fehleranfällig. Menschliche Fehler bei der Erfassung und Übertragung der Daten sind unvermeidlich und führen zu Ungenauigkeiten. Bestes Beispiel ist der Zahlendreher. Ein digitalisierter Prozess minimiert diese Fehler durch automatische und direkte Übertragung der Daten, wodurch die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Ablesungen erheblich verbessert wird. Auch die Kosten spielen eine wesentliche Rolle. Die manuelle Ablesung verursacht wiederkehrende Kosten für Arbeitszeit und Logistik. Obwohl die initialen Investitionskosten für die Digitalisierung hoch sein mögen, werden diese durch die langfristigen Einsparungen bei den Betriebskosten, wie reduzierte Personalkosten und minimierte Fehlerkorrekturen, ausgeglichen.
Ein weiterer wichtiger Faktor sind die Qualität und Verfügbarkeit der Daten über das Wasser- und Wärmenetz. Die manuelle Ablesung liefert nur einmal jährlich Daten, was die Möglichkeit einschränkt, fundierte Entscheidungen basierend auf aktuellen Verbrauchsdaten zu treffen. Mit der Digitalisierung können wir die Daten kontinuierlich und zeitnah erfassen. Dies ermöglicht ein besseres Monitoring und effizientere Steuerung des Wasser- und Wärmenetzes, was letztlich zur Optimierung der Ressourcennutzung und zur Verbesserung der Netzstabilität beiträgt.
Zusammengefasst führt die Digitalisierung des Ableseprozesses durch verschiedene Übertragungswege zu einer erheblichen Verbesserung in Bezug auf Personalressourcen, Aufwand, Fehleranfälligkeit, Kosten und Qualität der Daten. Dies waren die entscheidenden Auslöser, diesen wichtigen Schritten in Richtung Digitalisierung zu gehen.
Wasser- und Wärmemengenzähler sind ja bislang nicht von der Pflicht zur Anbindung an ein Smart Meter Gateway betroffen. Dennoch habt ihr euch entschieden, unabhängig von einer gesetzlichen Pflicht, künftig auch in diesen Bereichen die Zählerfernauslesung zu setzen. Warum?
Meine vorherige Antwort hat bereits zu großen Teilen die Frage nach dem „Warum“ beantwortet. Bezüglich der Smart Meter Gateways haben wir unsere technische Lösung dennoch so aufgebaut, dass eine Anbindung später möglich ist. Der flächendeckende Rollout des Smart Meter Gateways liegt für alle Beteiligten noch in der Zukunft, und wir möchten vorbereitet sein, wenn diese Technologie verfügbar wird. Jedoch gibt es bei einer Anbindung an das Smart Meter Gateway auch Hindernisse, um an die Daten zu gelangen. Die flächendeckende Verfügbarkeit ist ein entscheidender Faktor und auch, dass das Gateway dem Stromkonzessionsinhaber unterliegt, der nicht immer wir sind. Was wiederum bedeutet, dass Schnittstellen auf beiden Seiten vorhanden sein müssen. Dadurch, dass wir die Mehrwerte für den Betrieb und die Verbraucherinnen und Verbraucher erkannt haben, wollten wir diesen Fortschritt in der Digitalisierung angehen.
Für die Gemeinden und Verbraucherinnen und Verbraucher ist der Einbau neuer Zähler ja zunächst einmal mit Kosten und Aufwand verbunden. Wie seid ihr das Thema strategisch angegangen und was sind Lehren, die ihr daraus ziehen konntet?
Der Einbau neuer Zähler bringt für Gemeinden zunächst einen ca. doppelten Preis des Wasserzählers und ein Viertel Aufpreis des Wärmemengenzählers und spiegelt sich für die Verbraucher und Verbraucherinnen in den Messentgelten wider. Wir sind dieses Thema strategisch angegangen, indem wir die Vorteile, Mehrwerte und langfristigen Einsparungen klar kommunizieren und unsere Prozesse optimieren. Ein wichtiger Punkt war der Turnuswechsel der Zähler. Da die Zähler ohnehin in regelmäßigen Abständen ausgetauscht werden müssen, haben wir den Einbau neuer, digitaler Zähler in diesen bestehenden Turnus integriert. Dies reduzierte den zusätzlichen Aufwand und die Kosten für die Verbraucher.
Unsere neuen Ultraschall-Wasserzähler (UWZ) messen den Wasserverbrauch wesentlich präziser als herkömmliche mechanische Zähler. Diese Genauigkeit reduziert die Gesamtkosten, indem sie sowohl Über- als auch Untererfassungen minimiert. Verbraucher profitieren von einer faireren und genaueren Abrechnung. Darüber hinaus fördern wir und die Verbraucher eine verantwortungsvollere Ressourcennutzung. Dies soll auch langfristig das Vertrauen in unsere Dienstleistungen stärken.
Wir streben außerdem einen doppelten Turnus an, bei dem die Zähler weniger häufig gewechselt werden müssen, ohne die Genauigkeit der Messungen zu beeinträchtigen. Abhängig hiervon ist eine Stichprobe der Wasserzähler und deren Batterielaufzeit. Die Batterielaufzeit beträgt mit unserer Konfiguration der UWZ 14 Jahre laut Hersteller. Dies reduziert die Kosten und den Aufwand für die Gemeinden und Verbraucher weiter.
Durch die Digitalisierung und Automatisierung der Zählerablesung und -abrechnung schaffen wir ein effizienteres Wasser- und Wärmenetz. Die genaue und zeitnahe Erfassung der Verbrauchsdaten und Metadaten ermöglicht es uns, den Betrieb zu optimieren und die Kosten zu senken. Dies hat auch den Vorteil, dass weniger Aufwand im Backoffice bei der Abrechnung anfällt, dadurch dass Ablesefehler, Plausibilisierung und Rechnungskorrekturen stark minimiert werden. Zusätzlich können die Systeme effizienter gesteuert werden, was die Effizienz unserer internen Prozesse und Anlagen weiter erhöht. Als Beispiel können wir im Wärmenetz zu hohe Rücklauftemperaturen und Energiespitzen von (Kunden-) Anlagen auswerten, um schlecht eingestellte Systeme zu detektieren und zu optimieren. Da schlecht eingestellte Systeme im Wärmebereich ein starker Kostentreiber sind, führt dies für Betreiber, Kunden und Verbraucher zu Kosteneinsparungen. Ein weiterer strategischer Vorteil war der LoRaWAN Netzaufbau durch Multi-Purpose-Anwendungen, die eine digitale Daseinsvorsorge ermöglichen. Durch die Nutzung der Infrastruktur für verschiedene digitale Anwendungen können wir die Investitionskosten besser verteilen und zusätzliche Dienstleistungen anbieten, die den Gemeinden und Verbrauchern zugutekommen.
Zusammengefasst haben wir aus diesem Prozess gelernt, dass eine strategische Integration neuer Technologien in bestehende Abläufe und die klare Kommunikation der langfristigen Vorteile entscheidend sind. Durch die Optimierung der Zählerwechselturnusse, den Einsatz präziserer Messgeräte und die Schaffung eines effizienteren Netzwerks können wir die anfänglichen Kosten und den Aufwand für Gemeinden und Verbraucher minimieren. Gleichzeitig steigern wir die Effizienz und Genauigkeit unserer Dienstleistungen und optimieren diese weiterhin.
Anders als bei Smart Meter Gateways, die zur sicheren Datenübertragung nach Außen BSI-konform eine WAN-Schnittstelle nutzen, kommt bei euch eine alternative LPWAN-Übertragungstechnologie (LoRaWAN®) zum Einsatz. Warum habt ihr euch für diese Funktechnologie entschieden?
Wir haben uns für Übertragungstechnologie LoRaWAN® und als Fallback für wM-Bus entschieden, da dies mehrere entscheidende Vorteile bietet, die perfekt zu unseren Anforderungen und Zielen passen. Erstens bietet die Reichweite von LoRaWAN® erhebliche Vorteile. Sie ermöglicht uns, Daten über große Entfernungen in regelmäßigen Intervallen zu übertragen, was besonders in ländlichen oder schwer zugänglichen Gebieten von großem Nutzen ist. Dies sorgt für eine umfassende Abdeckung und stellt sicher, dass ein Großteil unserer Zähler zuverlässig angebunden ist. Allerdings ist zu beachten, dass urbane Herausforderungen wie Gebäudeschirmung die Reichweite beeinträchtigen können und keine Komplettlösung zu erwarten ist.
Zweitens zeichnet sich LoRaWAN® durch seine Energiesparsamkeit aus. Die Zähler können über Jahre hinweg mit minimalem Energieverbrauch betrieben werden, was die Wartungsintervalle verlängert und die Betriebskosten senkt. Grund ist, dass nur kleine Datenpakete mit wenigen Informationen vom Zähler in festgelegten Zeitabständen versendet werden. Deshalb spricht man bei LoRaWAN auch von einem Niedrigenergienetz (oder auch 0 G Netz. Gegenteil des 5G-Netzes.) Dies ist besonders wichtig für eine nachhaltige und kosteneffiziente Infrastruktur.
LoRaWAN® ermöglicht uns zudem den selbständigen Netzaufbau, selbst in Gebieten ohne Mobilfunkabdeckung. Dies ist ein großer Vorteil, da wir unabhängig von bestehenden Mobilfunknetzen arbeiten können und somit eine höhere Flexibilität und Zuverlässigkeit erreichen. Durch die regelmäßige Datenübertragung können wir kontinuierlich aktuelle Verbrauchsdaten erfassen, was im Gegensatz zu wM-Bus, der oft nur durch Drive-By-Ablesung Daten liefert, erhebliche Mehrwerte für unser Netz bietet. Diese kontinuierlichen Daten ermöglichen eine bessere Überwachung und Optimierung des Netzes sowie eine proaktive Wartung.
Die Multi-Purpose-Nutzung von LoRaWAN® eröffnet uns zusätzliche Möglichkeiten im Sensormarkt. Wir können dieselbe Infrastruktur für verschiedene Anwendungen nutzen, wie z. B. das Monitoring von Umweltdaten, die Ermittlung der Auslastung von P+R Parkplätzen oder die Messung von Luftqualität. Dies maximiert den Nutzen unserer Investitionen und erweitert unser Dienstleistungsangebot. Schließlich bleibt die wM-Bus Kompatibilität unserer Zähler bestehen. Dies bedeutet, dass eine Umstellung auf eine andere Technologie, falls erforderlich, problemlos möglich ist. Diese Flexibilität stellt sicher, dass wir auf zukünftige Anforderungen und technologische Entwicklungen schnell reagieren können.
Digitale Zähler übermitteln sensible Daten, die unter Umständen Rückschlüsse auf Gewohnheiten der Haushaltsangehörigen ermöglichen. IoT-Produkte im Messwesen unterliegen ja den hohen Anforderungen an Datenschutz und -sicherheit. Wie sicher sind die Daten, die ihr mit den digitalen Zählern erhebt bzw. wie sorgt ihr für die nötige Sicherheit der Daten? Beim handelsüblichen LoRaWAN® ist das ja durchaus eine Herausforderung (Stichwort: fehlende TLS-Verschlüsselung).
Digitale Zähler können sensible Daten übermitteln, die möglicherweise Rückschlüsse auf die Gewohnheiten der Haushaltsangehörigen zulassen. Deshalb müssen im Messwesen die hohen Anforderungen an Datenschutz und -sicherheit gewährleistet werden.
Im Gegensatz zu Strom und Gas unterliegen die von uns digitalisierten Sparten Wasser und Fernwärme nicht dem Messstellenbetriebsgesetz (MsbG). Durch die Möglichkeit des Netzbetreibers, Schalthandlungen oder Dimmen des Strombedarfs des Verbrauchers durchzuführen, bedarf es hier einen regulatorischen Schutz. Im Vergleich übermitteln unsere digitalen LoRaWAN-Zähler lediglich Telemetriedaten und keine personenbezogenen Daten. Diese Telemetriedaten umfassen Informationen wie die MAC-Adresse (die nicht mit der Zählernummer übereinstimmt), Volumen- und Energiewerte. Bei Wasserzählern erfolgt die Datenübermittlung in Intervallen (höchstens sieben stündlich), die keine präzise Anwesenheitsanalyse ermöglichen. Bei Wärmezählern sind die Intervalle höher, da Heizungssysteme meist feste Einstellungen haben und somit keine Rückschlüsse auf individuelle Gewohnheiten zulassen.
In vielen Telemetriedatenanwendungen sind die Ressourcen wie Rechenleistung, Speicher und Energie begrenzt. Diese Geräte besitzen höhere Latenzzeiten als Webanwendungen, wodurch eine TLS-Verbindung ineffizient wäre. Stattdessen verwendet LoRaWAN® eine verstärkte AES-Verschlüsselung (AE128-CTR mit XOR), welche für jeden Datenblock einen einmaligen Schlüssel verwendet. Diese Methode gewährleistet eine starke Verschlüsselung. Durch die Nutzung dieser effizienten Verschlüsselungsmethode kann LoRaWAN® die Integrität und Vertraulichkeit der Daten gewährleisten, ohne die begrenzten Ressourcen unserer IoT-Geräte ineffizient zu verwenden. Dies erfüllt auch die Vorgaben der Betriebsbedingungen des BSI (‚BSI-TR-02102 – Technische Richtlinie – Kryptographische Algorithmen und Schlüssellängen‘).
Bis zur flächendeckenden Einführung digitaler Ableseprozesse steht euch ja noch einiges an Arbeit bevor – Immerhin seid ihr aktuell für den Wassernetzbetrieb in 17 Gemeinden zuständig. Was sind die nächsten Etappenziele, die ihr erreichen möchtet und was sind noch offene Fragen oder Aufgaben, die ihr lösen möchtet?
Bis zur flächendeckenden Einführung digitaler Ableseprozesse steht uns noch einiges an Arbeit bevor. Immerhin sind wir aktuell für den Wassernetzbetrieb in 17 Gemeinden zuständig, davon sind zwei Konzessionen. Zudem bieten wir diese Lösung auch Kommunen an, die keine Betriebsführung bei uns haben. Unsere nächsten Etappenziele und noch offene Fragen oder Aufgaben, die wir lösen möchten, sind wie folgt: Wir haben bereits Fortschritte im Bereich der Wärmezähler gemacht und für etwa 2.000 Zähler eine Lösung gefunden. Derzeit haben wir sechs Kommunen mit LoRaWAN ausgestattet und insgesamt 15.000 LoRaWAN-Zähler installiert. Zudem haben wir noch 20.000 reine wM-Bus-Zähler im Bestand. Die Ablesung erfolgt sowohl via LoRaWAN als auch per Drive-By in Zusammenarbeit mit unserer städtischen Abfallentsorgung ASF, die komplett mit Brennstoffzellenfahrzeugen unterwegs ist. Darüber hinaus haben wir einen eigenen OMS-Parser entwickelt, um technische Offenheit zu gewährleisten.
Um die Produktivität zu steigern, haben wir eine Statistikauswertung erstellt, die uns hilft, die Empfangsleistung zu detektieren und Änderungen festzustellen. Aus diesen Daten können wir ableiten, wo wir die Empfangsleistung verbessern können und gut erreichbare Zähler von der Sonderablesung durch Dienstleister abmelden können. Unser Ziel ist es auch, der Daseinsvorsorge gerecht zu werden. Daher wollen wir weitere Smart-City-Anwendungen wie die bestehenden z. B. Smart-Parking-Datenübertragung in Freiburg für die P+R-Parkplätze sowie die Füllstandsüberwachung der Glascontainer der ASF ausbauen. Der weitere Ausbau der Zähler in beiden Sparten, einschließlich der entsprechenden LoRaWAN-Gateways und Drive-By-Lösungen, steht ebenfalls auf unserer Agenda. Wir arbeiten daran, Netzdaten wie Wassertemperatur, Rückflüsse, Rücklauftemperaturen und Grenzwertüberschreitungen effizienter an die benötigten Fachbereiche zu übermitteln und diese in die vorhandenen Plattformen zu integrieren. Diese Maßnahmen und Entwicklungen sind entscheidend, um die digitale Transformation unserer Ableseprozesse voranzutreiben und gleichzeitig die Effizienz und Zuverlässigkeit unserer Dienstleistungen zu verbessern.
Vielen Dank für das Gespräch!
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