Mit der neuen digitalen Energiewetteruhr bieten die Wuppertaler Stadtwerke Verbraucherinnen und Verbrauchern eine komfortable und leicht zugängliche Möglichkeit, ihre Energienutzung an die erwartbare Verfügbarkeit lokaler erneuerbarer Energien anzupassen. Jeweils für die nächsten 12 Stunden werden dabei anhand einer Uhr die Einspeiseprognosen der lokalen erneuerbaren Energien (Wind, Sonne, Wasser) visualisiert und mithilfe farblicher Markierungen Empfehlung für den idealen Zeitpunkt des elektrischen Verbrauchs gegeben.
Mithilfe einer digitalen Uhr erhalten Verbraucherinnen und Verbraucher klare Hinweise, wie sie ihren Stromverbrauch in den nächsten 12 Stunden möglichst an die Verfügbarkeit lokaler erneuerbarer Energien anpassen und damit bestenfalls in Kombination mit dynamischen Stromtarifen Geld sparen können. Einen kostengünstigen Preis für Verbraucherinnen und Verbraucher zu ermöglichen, war dabei aber sicherlich nicht die einzige Motivation für die Energiewetteruhr?
Wir beabsichtigten mit dieser Maßnahme vor allem, die Transparenz in Bezug auf die Verfügbarkeit und Nutzung erneuerbarer Energien zu erhöhen. Allgemein bekannt ist die Fluktuation des Dargebots Erneuerbarer Energien (EE). Weniger bekannt sind aber die konkreten Verfügbarkeiten, vor allem aus schwankender Erzeugung aus Windenergie- und PV-Anlagen. Während bei deutlicher Bewegung in Baumkronen oder aber strahlend blauem Himmel die Verfügbarkeit EE selbsterklärend ist, so bleibt deren Ausmaß bei nicht derart eindeutigen Wetterbeobachtungen eher im Verborgenen. Auch fehlen grundsätzlich allgemein und einfach zugängliche Informationen über die regionale Verfügbarkeit in der Zukunft. Hier schließt die Energiewetteruhr – spielerisch – eine Informationslücke.
Das Konzept der digitalen Energiewetteruhr klingt zunächst einmal denkbar einfach. Technisch sieht das bestimmt anders aus. Wie genau funktioniert die Energiewetteruhr? Welche Daten werden verwendet und wie werden diese prognostiziert?
In der Tat hängt die informative Kraft der Energiewetteruhr maßgeblich an der Qualität der Vorhersage bezogen auf die Verfügbarkeit Erneuerbarer Energien (EE). Die regional verfügbaren Anlagen sind über das Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur vergleichsweise einfach zu ermitteln, woraus ein regional unterschiedlicher Schwerpunkt für die verfügbaren EE resultiert. Entscheidend aber ist im Anschluss, wie stark der Wind wehen wird und oder wie stark die solare Einstrahlung in der Zukunft ausfallen werden. Für die tatsächliche Ermittlung der aus Sonne und Wind resultierenden Erzeugungsanlagen elektrischen Energie werden auf Grundlage von Prognosen für die Windgeschwindigkeit, Windrichtung, Außentemperatur sowie der Globalstrahlung Einspeiseprognosen für die jeweilige Quelle Erneuerbarer Energien erstellt. Diese stündlichen Einspeiseerwartungen werden einander gegenübergestellt und bilden die Grundlage für die „Verfügbarkeits-Ampel“ in Form der Energiewetteruhr.
Aus eigenen Erfahrungen weiß man: Potenziale der Energiewende kollidieren vielfach mit der Bequemlichkeit und Routinen, die schwer abzulegen sind. Mit der Energiewetteruhr verfolgt ihr das Ziel, Alltagsroutinen der Verbraucherinnen und Verbraucher (z. B. Zeitpunkte für Wäschewaschen, Autoladen etc.) aufzubrechen. Habt ihr bereits Rückmeldungen von Nutzerinnen und Nutzern erhalten, wie die Einführung der Energiewetteruhr das Verhalten verändert hat? Gibt es schon sichtbare Erfolge in Bezug auf den CO2-Ausstoß oder die Nutzung erneuerbarer Energien?
Wir haben – einige Jahre zurückliegend – im Rahmen eines Forschungsprojekts genau diesen Effekt gemessen. Ca. 500 Probanden wurden mit intelligenten Messgeräten ausgestattet, um deren Verbrauchsverhalten über einen mehrmonatigen Zeitraum zu erfassen. Im weiteren Projektverlauf ist das Energiewetter als informatorische Quelle an besagte Probanden ausgespielt worden. Dafür bedienten wir uns sowohl der digitalen Präsentation des Energiewetters als auch der Abbildung in einem regionalen Nachrichtenblatt. Insb. Letzteres erfreute sich sehr hoher Beliebtheit und nicht selten wurden wir darauf angesprochen. Sowohl Teilnehmende des Projekts wie auch Wuppertaler Bürger im Allgemeinen berichteten uns, „sie würden das gedruckte Energiewetter sichtbar und magnetisch an der Kühlschranktür anbringen“. Diese Printausgabe des Energiewetters inkludiert leider die Schwäche, dass eine stete Aktualisierung – gerade bei nicht stabilen Wetterlagen – schlichtweg fehlt, weshalb diese Form der Darreichung nicht dauerhaft Bestand haben konnte. Für das besagte Projekt aber war dieses Mittel der Wahl einfach zugänglich für alle Beteiligten, sodass wir auf Basis der Energiemengenmessungen i. Vgl. zur ex-ante Messung vor Herausgabe des Energiewetters einen Wettbewerb auslobten. Dieser sollte herausfinden, welcher Proband wohl eine maximale Verschiebung des persönlichen elektrischen Energieverbrauchs in Stunden möglichst hoher Verfügbarkeit EE veranlasste. Dem Gewinner winkte die kostenlose Bereitstellung der Stromlieferung über ein ganzes Jahr. Gewonnen hatte schließlich und endlich ein Kunde, welcher nach eigener Aussage – und scheinbar technisch nicht unbedarft – die Heizleistung seines Wasserbetts erhöhte und aus dieser kapazitiven Maßnahme Flexibilität im elektrischen Energiebezug erzielen konnte. Die Veränderung seines Strombezugs i. Vgl. zur vorherigen Messwerterfassung war derart signifikant, dass an dem Resultat kein Zweifel bestand. Ein knappes Dutzend Beteiligter trat regelmäßig mit uns in Kontakt und berichtete von eigenen Maßnahmen. Anekdotisch einige Beispiele: jemand berichtete, er hätte ob des roten Signals unseres Energiewetters auf den sonntäglichen Tatort verzichtet. Ein weiterer Teilnehmer erzählte uns, er hätte am Sonntag die Frühstückseier für die gesamte folgende Woche zubereitet.
Diese Erfahrungen zeigen, dass ein Interesse für diese Thematik im Allgemeinen durchaus besteht. Klar, aber bleibt und ist auch, dass nicht davon auszugehen ist, dass eine breite – und vor allem dauerhafte – Bereitschaft innerhalb der Gesellschaft besteht, derartige Verhaltensveränderungen erwarten zu dürfen. Für die nachhaltige Bereitschaft zur Verhaltensänderung bedarf es Automatismen, welche für den Nutzenden faktisch ohne Komfortverlust sowie möglichst aufwandsarm erschließbar sind.
Die Energiewetteruhr ist sicherlich nur Teil einer Reihe von Maßnahmen, um die Energieversorgung in Wuppertal auf die Bedürfnisse von morgen vorzubereiten. In welchem Verhältnis steht die Energiewetteruhr zu anderen Projekten und wie sehen die nächsten Schritte aus, um die Nutzung der Energiewetteruhr weiter zu optimieren und die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger zu steigern?
Eine Folgeentwicklung der Maßnahme zur Energiewetteruhr ist der dynamische Stromtarif. Dabei unterstellen wir, dass die Verfügbarkeit bzw. Nicht-Verfügbarkeit erneuerbarer Energien bereits heute einen nennenswerten Einfluss auf den kurzfristigen Strompreis haben. Durch die Verknüpfung mit dem Strompreis ist eine unmittelbare Partizipation der Kunden möglich, da eine Verhaltensveränderung in der Nutzung elektrischer Energie direkten Einfluss auf den spezifischen Strompreis hat. Ein solches Angebot halten wir seit 2023 für unsere Kunden vor und sehen deutlich, dass im Resultat erhebliche Unterschiede der spezifischen Energiekosten der Teilnehmenden entstehen. An diesem Mechanismus partizipieren jene im Besonderen, welche nennenswert elektrische Lasten verschieben können. In allg. Nutzung elektrischer Energien im Haushalt sind die Möglichkeiten eingeschränkt. Neue Anwendungen (Wallbox, Energiespeicher, Wärmepumpe) besitzen diesbezüglich einen großen Hebel und lassen sich i. Vgl. leicht automatisieren. Bspw. haben wir das „Smart Charging“ für das automatisierte preisinduzierte Laden von Elektrofahrzeugen unseren Kunden bereits zur Verfügung gestellt.
Gibt es Pläne, die Energiewetteruhr auch in anderen Städten oder Regionen einzuführen?
Im Verein Civitas Connect e. V. wollen wir unsere Erfahrungen zum Energiewetter einbringen. Innerhalb des Vereins verfolgen wir das Ziel, eine generische Lösung anzubieten, welche es Vereinsmitgliedern ermöglicht, ein regional spezifisches Energiewetter in der eigenen Region aufzusetzen.
Vielen Dank für das nette Gespräch!
Ähnliche Beiträge
Interview mit Martin Berger
Titel: Fachdienstleiter Finanzen in der Stadtverwaltung Jena Im Gespräch mit Martin Berger, Fachdienstleiter Finanzen der Stadtverwaltung Jena, erfahren wir, wie die Stadt ihre Urbane Datenplattform
Interview mit Dr.-Ing. Dominik Noroschat
Dr.-Ing. Dominik Noroschat; Taskforce Digitalisierung, Fachbereich für Informationstechnologie und Zentrale Dienste Stadt Hagen „Klimakommune.digital – Mit digitalen Technologien den kommunalen Klimaschutz und die urbane Energiewende vorantreiben.“
Interview mit Sascha Götz
Im Gespräch mit Sascha Götz, Leiter des Programms Smart City der Stadt Bamberg, werfen wir einen genaueren Blick auf die Bedeutung einer zentralen Datenplattform in
Mit der neuen Energiewetteruhr von Civitas Connect e. V. das lokale Konsumverhalten beeinflussen – Anleitung und Datenmodell ab sofort verfügbar
Mit der neuen Energiewetteruhr können Städte und Stadtwerke künftig Verbraucherinnen und Verbrauchern einen Überblick über die erwartete Verfügbarkeit regionaler erneuerbarer Energien für die nächsten 12
Rückblick CIVI/CON 2024
Die CIVI/CON 2024 setzte den Erfolg des Vorjahres fort und zog erneut ein interessiertes Publikum an, das sich für die digitale Daseinsvorsorge und kommunale Zusammenarbeit
Neues Civitas Connect Whitepaper „IoT-Potenziale für zukunftsorientierte Stadtwerke und Kommunen“
Nach der Erstvorstellung auf der CIVI/CON 2024 in Wuppertal ist nun das Whitepaper „IoT-Potenziale für zukunftsorientierte Stadtwerke und Kommunen“ für alle Civitas Connect Mitglieder verfügbar.